Eisacktaler Keschtnweg: Wandern und törggelen

st

Tourismus-Pionier und "Keschtn-König" Franz Tauber vom Unterwirt in Feldthurns, Foto: Heiner Sieger

Tourismus-Pionier und „Keschtn-König“ Franz Tauber vom Unterwirt in Feldthurns, Foto: Heiner Sieger

Bozen (Südtirol) – „Jetzt ist Aufbruchstimmung“, lacht Franz Tauber und prüft nochmal die Schürsenkel seiner Wanderschuhe. Der Senior-Chef von „Taubers Unterwirt“ hat auch heute wieder ein Gruppe von Gästen beisammen, die er über seine Lieblingsstrecke, den Eisacktaler Keschtnweg führen wird. „Da gibt es dann den neuen Wein, eine wunderbare Herbststimmung durch die Natur, den größten Maler aller Zeiten. Es gibt einen Schwung in der Wirtschaft, denn wir kehren bei den Weinbauern ein, tun Törggelen und die Kastanien in Ehren halten und pflegen.“ Der 80-jährige selber sprüht vor Frische und wirkt mit seiner Dynamik und guten Laune auf Anhieb ansteckend. Da geht man fröhlich mit.

Wer gerne wandert und genießt, findet von Mitte September bis Mitte November zwischen Brixen und Bozen noch ein kleines Paradies: Angenehme Temperaturen, bequeme Wanderwege mit imposantem Dolomitenpanorama und zahlreiche ursprünglich gebliebene Bauernschänken, in denen authentische Gastgeber ihre selbst produzierten und hervorragende Produkte zu verträglichen Preisen anbieten. Namensgeber der Region ist die Eisack, Südtirols zweitlängster Fluss. Als eines der Haupttäler auf der sonnigen Alpensüdseite gilt es auch als Tal der Täler. Denn gleich mehrere reizende Seitentäler wie das ursprüngliche Pfunderer Tal mit seiner Almenregion Gitschberg-Jochtal, das zum Würzjoch führende Lüsener Tal oder das malerische Villnösser Tal nehmen hier ihren Ausgang.

Mehr als 20 bäuerliche Gasthöfe laden zur Rast

Allein auf dem wohl bekanntesten Wanderweg der Region, dem „Keschtnweg“, der von Kloster Neustift bei Brixen bis nach Schloss Runkelstein bei Bozen führt, liegen insgesamt mehr als 20 solch ursprünglicher Bauern- und Gasthöfe wie der „Villscheider Hof“ oberhalb Brixens, der „Radoarhof“ in Feldthurns, der „Huber“ in Pardell oder der „Oberparteggerhof“ bei Villanders. Bei Tageswanderungen von Hof zu Hof lassen sich Landschaft, Einheimische und die kulinarischen Südtiroler Genüsse am besten erleben. Die Höfe haben zudem einiges zu bieten: Sie atmen eine meist Jahrhunderte alte Tradition, sind seit Generationen im Familienbesitz und mit dem Verkauf regionaler Produkte im Buschenschank sichern sie das Überleben des bäuerlichen Betriebes und pflegen gleichzeitig Landschaft und Tradition.

Um einige Etappen der Eisacktaler Wanderwege kennenzulernen, haben wir uns bei „Taubers Unterwirt“ einquartiert. Direkt am Eisacktaler Kastanienweg gelegen, zählt das Hotel zur „Vitalpina“-Gruppe, bei der Wandern sowie gesunde Ernährung und Wellness aus heimischen Naturprodukten das Konzept prägen. Und auf den Wanderwegen des Eisacktales ist kaum jemand so gut zuhause wie Franz Tauber. Schon als Bub hat von Klausen aus die Einkäufe mit dem Rucksack über einen schmalen Steig nach Feldthurns zum elterlichen Betrieb schaffen müssen. Heute führt der Weg als Seitenarm des Keschtnwegs mitten durch die Reben, vorbei an trutzigen Höfen mit sonnengegerbten Holzscheunen und überraschend mediterraner Vegetation mit Feigen und Bananenstauden.

Die Nachspeisen mit Kastanien hören gar nicht mehr auf

Keiner erzählt zudem die Geschichte des Keschtnwegs so intensiv und anschaulich wie Franz Tauber. Kein Wunder – gilt er doch in der Region als der „Keschtn-König“. In den 90er Jahren hatte er mit einer ersten Kastanien-Runde den Grundstein für den heutigen Keschtnweg gelegt. Und in seinem Hotel hat er der Kastanie auch kulinarisch ein Denkmal gesetzt: Speisen kann man in der Kastanienstube, Wellnessen in der Kastaniensauna und dabei anschließend eine „Castanea“-Kastanien-Weinpackung auf die Haut wirken lassen. Gesunden Schlaf findet der Gast in der Kastanien-Suite.

Auf den Tisch kommen Kastanienmarmelade und Kastanienmus, köstliche Kastanien-Cremesuppe, Kastanien-Gugglhupf, -Brot und -Brioche aber auch Krapfen aus der stachelig eingehüllten Frucht. Und die Nachspeisen mit Kastanien hören gar nicht mehr auf – Törtchen, Cremes, Halbgefrorenes, Eis. Das Haus gibt es seit fast 160 Jahren am Ort, Franz Taubers Sohn Helmut führt es in der 5. Generation.

„Kastanien, das war früher das ‚Brot der armen Leute’, vor allem auch in Südtirol“, erzählt Tauber, während wir auf dem Kastanienweg dahin wandern, immer im Blick die imposanten Geisslerspitzen. „Bis in die Neuzeit waren die Keschtn als „Brotbaum“ während sechs Monaten – vom Herbst bis ins Frühjahr – das Grundnahrungsmittel der bäuerlichen Bevölkerung. Damals hatte jeder Bauer seinen kühlen, dunklen Kastanienkeller, in dem er die Kastanien über den Winter lagerte.“

Im Herbst huldigen viele Feste der Kastanie

Im September lohnt sich bei diesem Parcours auch ein Abstecher nach Klausen. Dort wird am 26. September (auch nochmal am 3. Oktober) beim „Gassl-Törggelen“ der bevorstehende Herbst gefeiert. Da wird die „Törggele-Königin“ gekrönt, in den Gassen spielen Blaskapellen und Ziehharmonika-Musiker zünftig auf, an den Ständen werden Eisacktaler Spezialitäten zubereitet – zu erstaunlich zivilen Preisen übrigens – und auch die Kastanie lässt grüßen: Eine süffige Spezialität ist beispielsweise das „Keschtn-Bier” von dem schnell mehr als eines die Kehle herunter rinnt.

Während der Eisacktaler Kastanienwochen vom 23. Oktober bis zum 8. November zum Beispiel genießen Wanderer in 16 Gastbetrieben zwischen Vahrn und Barbian Köstlichkeiten wie Kalbskopf-Praliné mit Kastanien-Vinaigrette auf einer gerösteten Apfelscheibe in Lagrein, Kastanien-Kartoffel-Cremesuppe mit Schwarzbrotcroutons und Thymianduft, anschließend ein rosa gebratenes Lammnüsschen in Kastanienkruste. Den krönenden Abschluss des Menues macht in Taubers Unterwirt wahlweise ein geschmacksstarkes Kastanien-Halbgefrorenes mit Waldfrüchtemark, Kastanienreis mit Schokosauce und Sahne oder ein Vanille-Eis mit heißen Kastanien und Kaffee. „Nur Vitamine – keine Kalorien“, grinst Franz Tauber dazu nur schelmisch. Für die gute Verdauung sorgt anschließend – was sonst? – ein Kastanien-Edelbrand vom „Radoarhof“ aus der Nachbarschaft.

Ein einziges großes Kastanienfest ist der „Keschtnigl“ in Feldthurns vom 19. Oktober bis zum 8. November: Aufführungen, Konzerte, naturkundliche Wanderungen durch Kastanienhaine, „Niglmarkt“ in Feldthurns mit bäuerlichen und handwerklichen Besonderheiten, Marktständen und Musik, „Niglsunntig“ mit Blasmusik und gastronomischen Köstlichkeiten.

Wer an diesen Kastanientagen mit Franz Tauber unterwegs ist, erfährt so manches über die Natur und die Kastanie, das ihm sonst verborgen bliebe. „Die Kastanie ist eine sehr empfindliche Pflanze“, erzählt er. Sie dreht sich mit der Sonne, mit dem Wind und sie reagiert auf Wasseradern und Erdstrahlen. „Darum sind auch zahlreiche Kastanienbäume entlang des Wegs so seltsam verdreht. Da drehen sich die Rinde und der Baum. Aber das ist auch das Besondere: In einem Kastanienhain ist jeder Kastanienbaum ein Persönlichkeit für sich.“

Text: Heiner Sieger